Prognose für 2023 / Schrumpfende Wirtschaftsleistung wichtigste Ursache
Berlin (02.11.2023) — Der Energieverbrauch in Deutschland wird 2023 voraussichtlich auf ein Rekordtief fallen. Die Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen (AG Energiebilanzen) rechnet gegenüber dem Vorjahr mit einem Rückgang um knapp 8 Prozent auf 10.784 Petajoule (PJ) oder 367,9 Millionen Tonnen Steinkohleneinheiten (Mio. t SKE). Damit läge der Verbrauch um knapp 28 Prozent unter dem bisherigen Höchststand im Jahre 1990, als 14.905 PJ erreicht wurden. Die AG Energiebilanzen erstellt ihre Jahresprognose auf der Grundlage von vorliegenden Daten des laufenden Jahres.
Der Energieverbrauch in Deutschland wird 2023 insbesondere von der wirtschaftlichen Entwicklung geprägt. Die diesjährige wirtschaftliche Leistung könnte in der Größenordnung von 0,5 Prozent zurückgehen. Vor allem die energieintensiven Industriezweige verzeichnen Produktionsrückgänge, was spürbare Auswirkungen auf den Energieverbrauch hat.
Einen verbrauchssenkenden Effekt auf den Bedarf an Raumwärme hatte bisher die gegenüber dem Vorjahr wärmere Witterung. Nach Berechnungen der AG Energiebilanzen dürften von der gesamten prozentualen Verbrauchsminderung etwa ein Fünftel witterungsbedingt gewesen sein.
Ein dritter verbrauchssenkender Effekt ergibt sich aus dem Energiepreisniveau. Zwar sind die Einfuhrpreise für die wichtigsten Importenergien im Jahresverlauf deutlich gesunken; die Preise liegen dennoch weiterhin deutlich über dem Niveau von 2021. Die AG Energiebilanzen geht davon aus, dass die anhaltend hohen Preise sowohl zu Einsparungen und Substitutionen anreizen, aber auch zur Kürzung energieintensiver Produktionen im Inland führen.
Ein verbrauchssteigernder Effekt geht von der demographischen Entwicklung aus. Ein migrationsbedingter Zuzug von 1,35 Millionen Menschen führte zu einem Anstieg des Energieverbrauchs in einer Größenordnung von etwa 200 PJ.
Die Entwicklung in den ersten drei Quartalen
Nach vorläufigen Berechnungen der AG Energiebilanzen lag der Energieverbrauch in Deutschland in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres um 9 Prozent unter der Vorjahresperiode. Insgesamt erreichte die Energienachfrage bis Ende September 2023 ein Niveau von 7.813 PJ beziehungsweise 266,6 Mio. t. SKE. Unter Ausschaltung des Witterungseinflusses wäre der Primärenergieverbrauch in den ersten neun Monaten des Jahres um 5,8 Prozent gesunken.
Der Verbrauch von Mineralöl sank in den ersten drei Quartalen 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 5,1 Prozent auf 2.860 PJ (97,6 Mio. t SKE). Während der Verbrauch von Ottokraftstoff um mehr als 3 Prozent zunahm, verringerte sich der Verbrauch von Dieselkraftstoff um gut 3 Prozent. Der Verbrauch von Flugkraftstoff stieg um 5 Prozent. Der Absatz von leichtem Heizöl verringerte sich leicht um 3 Prozent. Die Lieferungen von Rohbenzin an die chemische Industrie waren um 16 Prozent niedriger.
Der Erdgasverbrauch ging in den ersten drei Quartalen 2023 um 7,2 Prozent auf 1.838 PJ (62,7 Mio. t SKE) zurück. In dieser Entwicklung spiegeln sich sowohl Rückgänge bei der industriellen Nachfrage als auch Einsparungen bei den privaten Haushalten sowie im Bereich des Sektors Gewerbe, Handel und Dienstleistungen wider. Die Stromerzeugung aus Erdgas sank um 4 Prozent. Bei der Erzeugung von Fernwärme auf der Grundlage von Erdgas gab es ein Minus von knapp 3 Prozent.
Der Verbrauch an Steinkohle nahm im Berichtszeitraum um 19,1 Prozent auf 678 PJ (23,1 Mio. t SKE) ab. Besonderen Einfluss auf diese Entwicklung hatte die um gut 35 Prozent rückläufige Stromerzeugung aus Steinkohle. Die Rohstahlproduktion sank in Folge der konjunkturellen Abschwächung um 3,6 Prozent, und die Kokereien verringerten ihren Ausstoß um 12 Prozent. Die Steinkohlennachfrage der Stahlindustrie nahm insgesamt um 1,6 Prozent ab.
In den ersten drei Quartalen des Jahres 2023 lag der Primärenergieverbrauch von Braunkohle mit 663 PJ (22,6 Mio. t SKE) um 23,4 Prozent unter dem Niveau des Vorjahreszeitraumes. Der Rückgang entspricht im Wesentlichen den verminderten Lieferungen an die Kraftwerke der allgemeinen Versorgung. Die Stromerzeugung aus Braunkohle wurde beeinflusst durch den Rückgang des Stromverbrauchs, die Verringerung der Erzeugungskapazitäten im Zuge des schrittweisen Kohleausstiegs, die angestiegene Stromproduktion aus Windenergieanlagen sowie den verstärkten Stromimporten aus dem benachbarten Ausland.
Die Stromerzeugung aus Kernenergie ging in den ersten drei Quartalen 2023 verglichen mit dem Vorjahreszeitraum um 72 Prozent zurück. Der starke Rückgang ist auf den Streckbetrieb der letzten drei Kernkraftwerke und deren endgültige Stilllegung zum 15. April 2023 zurückzuführen. Seit diesem Zeitpunkt leistet die Kernenergie in Deutschland keinen Beitrag mehr zur Energieversorgung.
In den ersten neun Monaten des Jahres wurden 9,7 Milliarden Kilowattstunden (Mrd. kWh) Strom mehr aus dem Ausland importiert als exportiert. Bis zum Mai des laufenden Jahres verzeichnete der Stromaustauschsaldo einen deutlichen Exportüberschuss, seither wird im Saldo mehr importiert. Die AG Energiebilanzen sieht in der Entwicklung ein Indiz für einen gut funktionierenden europäischen Strommarkt: Im Ausland standen im Berichtszeitraum teilweise günstigere Erzeugungsoptionen zur Verfügung als in Deutschland.
Der Beitrag der erneuerbaren Energien verringerte sich in den ersten neun Monaten leicht um 0,3 Prozent auf 1.516 PJ (51,7 Mio. t SKE). Die Stromerzeugung aus Wind konnte um 3 Prozent zulegen. Bei der Solarenergie gab es ein leichtes Minus von 1 Prozent. Die Stromerzeugung aus Wasserkraft erhöhte sich um 14 Prozent. Die Biomasse, auf die knapp 55 Prozent des gesamten Primärenergieverbrauchs der erneuerbaren Energien entfällt, blieb um 3 Prozent hinter dem Vorjahreswert zurück.
Die energiebedingten CO₂-Emissionen nahmen nach Schätzung der AG Energiebilanzen in den ersten drei Quartalen des Jahres 2023 infolge des gesunkenen Gesamtverbrauchs insbesondere bei den fossilen Energieträgern um rund 11 Prozent ab. Dies entspricht einer Reduktion in der Größenordnung von 55 Millionen Tonnen (Mio. t). Für das Gesamtjahr 2023 rechnet die AG Energiebilanzen mit einer Abnahme der energiebedingten CO₂-Emissionen um 10,7 Prozent. Der Reduktionsbeitrag könnte eine Höhe von etwa 65 Mio. t erreichen.
Entwicklung des Primärenergieverbrauchs
von Januar bis September 2023
Veränderungen in Prozent — Gesamt 7.813 PJ oder 266,6 Mio. t SKE
Berlin – Der Verbrauch an Primärenergie verzeichnete in den ersten neun Monaten des Jahres 2023 einen Rückgang um 9 Prozent auf 7.813 Petajoule (PJ) beziehungsweise 266,6 Millionen Tonnen Steinkohleneinheiten (Mio. t. SKE) gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Der Rückgang ist vor allem auf die schwache wirtschaftliche Entwicklung, hohe Energiepreise und die gegenüber dem Vorjahr wärmere Witterung zurückzuführen.
Quelle: Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen
Weitere Verschiebungen im Energiemix
Struktur des Primärenergieverbrauchs in Deutschland
1.–3. Quartal 2023 – gesamt 7.813 PJ oder 266,6 Mio. t SKE
Anteile in Prozent (Vorjahreszeitraum in Klammern)
Berlin — Der Rückgang des inländischen Energieverbrauchs in den ersten sechs Monaten des Jahres 2023 um mehr als 7 Prozent sowie unterschiedliche Verbrauchsentwicklungen bei den einzelnen Energieträgern haben zu Änderungen im Energieträgermix geführt. Die Erneuerbaren und das Mineralöl erhöhten ihre Anteile. Bei Stein- und Braunkohle sowie dem Erdgas kam es dagegen infolge der deutlich über dem Gesamtrückgang liegenden Verbrauchsminderungen zu Anteilsrückgängen. Die Kernenergie lieferte infolge des befristeten Streckbetriebs der drei verbliebenen Kraftwerksblöcke noch einen geringen Beitrag. Bei den sonstigen Energieträgern einschließlich des Stromaustauschsaldos kam es zu einer Erhöhung des Anteils, weil Deutschland im zweiten Quartal 2023 im Saldo mehr Strom importierte als ins benachbarte Ausland ausführte.
Quelle: Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen